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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 25.03.2015
Aktenzeichen: X R 20/13

Vorinstanz:

FG Münster
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 26.07.2012
Aktenzeichen: 4 K 2071/09 E,U

Schlagzeile:

Schätzungsmethode des sog. Zeitreihenvergleichs ist während einer Betriebsprüfung nur unter Einschränkungen zulässig

Schlagworte:

Betriebsanleitung, Betriebsprüfung, Buchführung, Kasse, Kassenbericht, Kassensystem, Ladenkasse, ordnungsmäßige Buchführung, Registrierkasse, Schätzung, Tagesendsummenbon, Zeitreihenvergleich

Wichtig für:

Gewerbetreibende, Steuerberater

Kurzkommentar:

Anforderungen an die Schätzung mittels eines Zeitreihenvergleichs

1. Die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs setzt voraus, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Es darf zudem im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die – nicht anderweitig behebbare – wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.

2. Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden.

3. Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs nur dann einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden, wenn andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, nicht sinnvoll einsetzbar sind. Bei verbleibenden Zweifeln können Abschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung hinausgeht.

4. Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung sowohl formell als auch materiell unrichtig ist und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines – technisch korrekt durchgeführten – Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist.

5. Bei einem programmierbaren Kassensystem stellt das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher Programmänderungen einen formellen Mangel dar, dessen Bedeutung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse oder dem Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse gleichsteht und der daher grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt.

AO § 147 Abs. 1 Nr. 1, § 158, § 162

Hintergrund: Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat sich zu der Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs geäußert. Diese Methode wird von der Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen insbesondere bei Gastronomiebetrieben zunehmend häufig angewandt.

Dabei handelt es sich um eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode, bei der die jährlichen Erlöse und Wareneinkäufe des Betriebs in kleine Einheiten --regelmäßig in Zeiträume von einer Woche-- zerlegt werden. Für jede Woche wird sodann der Rohgewinnaufschlagsatz (das Verhältnis zwischen Erlösen und Einkäufen) ermittelt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der höchste Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum ergibt, auf das gesamte Jahr anzuwenden ist. Dadurch werden rechnerisch zumeist erhebliche Hinzuschätzungen zu den vom Steuerpflichtigen angegebenen Erlösen ausgewiesen.

Der BFH hat diese Schätzungsmethode nunmehr nur unter folgenden Einschränkungen zugelassen:

1. Das Verhältnis zwischen Erlösen und Wareneinkäufen im Betrieb muss über das ganze Jahr hinweg weitgehend konstant sein.

2. Bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung ist der Zeitreihenvergleich zum Nachweis materieller Mängel der Buchführung von vornherein ungeeignet.

3. Ist die Buchführung zwar formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden vorrangig.

4. Auch wenn solche anderen Schätzungsmethoden nicht zur Verfügung stehen, dürfen die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen übernommen werden, sondern können allenfalls einen Anhaltspunkt für eine Hinzuschätzung bilden.

5. Nur wenn die materielle Unrichtigkeit der Buchführung bereits aufgrund anderer Erkenntnisse feststeht, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Höhe der Hinzuschätzung herangezogen werden.

In diesem Zusammenhang hat der BFH ferner entschieden, dass beim Einsatz eines programmierbaren Kassensystems bereits das Fehlen der hierfür aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Betriebsanleitung, Programmierprotokolle) einen formellen Mangel der Buchführung darstellt, der grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt.

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