Quelle: |
Bundesfinanzhof |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 03.07.2002 |
Aktenzeichen: | VI R 87/99 |
Vorinstanz: |
FG Münster |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 30.05.1990 |
Aktenzeichen: | II 5109/88 E |
Schlagzeile: |
Gewährleistung verfassungsgemäßer kindbedingter Entlastungen für berufstätige Eheleute durch den Bundesfinanzhof
Schlagworte: |
Anlassfall, Familienlastenausgleich, Haushaltsfreibetrag, Kinderbetreuung, Kindergeld, Rechtsschutz, Verfassungsbeschwerde, Verfassungsmäßigkeit
Wichtig für: |
Familien
Kurzkommentar: |
Ordnet das Bundesverfassungsgericht in einem sog. Anlassfall an, die Kläger hätten einen Anspruch darauf, dass der Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde sich für sie in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden einkommensteuerlichen Entlastung auswirkt, so obliegt es erforderlichenfalls dem Bundesfinanzhof, vollen Rechtsschutz der Kläger durch eine entsprechende Herabsetzung der Einkommensteuer sicherzustellen. Dabei kommt es auf die im Klage- und Revisionsverfahren gestellten Anträge nicht an.
Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren Entscheidungen vom 3. Juli 2002 Revisionen verschiedener Kläger in vollem Umfang stattgegeben, nachdem diese bereits beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit ihren Verfassungsbeschwerden Erfolg gehabt hatten.
Zur Vorgeschichte: Mit Beschluss vom 10. November 1998 (Aktenzeichen 2 BvR 980/91 u.a.) hatte das BVerfG wesentliche Teile des früheren einkommensteuerlichen Familienlastenausgleichs vor 1996 für verfassungswidrig erklärt. Das BVerfG hatte damals u.a. beanstandet, dass verheiratete Ehepaare mit Kindern keine Kinderbetreuungskosten und keinen Haushaltsfreibetrag geltend machen konnten. Die verfassungswidrigen Normen wurden vom BVerfG allerdings nicht für nichtig, sondern bis zu der gebotenen gesetzlichen Neuregelung weiterhin für anwendbar erklärt. Anders als bei sonstigen Betroffenen, die den verfassungswidrigen Zustand bis zur Neuregelung hinnehmen mussten, hatte das BVerfG allerdings in den von ihm aufgegriffenen Ausgangsverfahren (sog. Anlassfälle) bestimmt, die betreffenden Beschwerdeführer hätten einen Anspruch darauf, dass ihnen der Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerden in den jeweils anhängigen Veranlagungszeiträumen zugute kommen müsse.
Nachdem weder der Gesetzgeber die Anlassfälle in eine gesetzlichen Neuregelung einbezogen, noch die beklagten Finanzämter eine Abhilfe in Betracht gezogen hatten, gab der BFH nunmehr den Revisionen der betroffenen Kläger in vollem Umfang statt, und zwar unabhängig von den im Klage- und Revisionsverfahren gestellten Anträgen. Als entscheidenden Gesichtspunkt hob der BFH hervor, dass alle Gerichte und Behörden an Entscheidungen des BVerfG gebunden seien. Hieraus ergebe sich, dass letztlich der BFH vollen Rechtsschutz durch Herabsetzung der Einkommensteuer sicherzustellen habe.