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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Beschluss
Datum: 16.12.2003
Aktenzeichen: IX R 46/02

Vorinstanz:

FG Baden-Württemberg
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 27.08.2002
Aktenzeichen: 2 K 244/01

Schlagzeile:

Rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre ist verfassungswidrig

Schlagworte:

Grundstücksspekulation, Rückwirkungsverbot, Sonstige Einkünfte, Spekulation, Spekulationsfrist, Spekulationsgeschäft, Verfassungsmäßigkeit

Wichtig für:

Vermieter

Kurzkommentar:

Nach dem Einkommensteuergesetz ist seit 1999 der Gewinn aus der Veräußerung von Grundstücken des Privatvermögens steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Bis einschließlich 1998 betrug diese Spekulationsfrist lediglich zwei Jahre.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die ab 1999 geltende Neuregelung mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998, bei denen die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden. Der BFH hat daher das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen.

Hintergrund: Mit Entscheidung vom 05.03.2001 (Aktenzeichen IX B 90/00) hatte der BFH in einem Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verfassungsrechtliche Zweifel an der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre geäußert. Im entsprechenden Hauptsacheverfahren hat der BFH diese Auffassung nun bestätigt.

Im Streitfall hatte ein Steuerpflichtige im Jahre 1990 ein Einfamilienhaus erworben, im Jahre 1997 einen Makler mit dem Verkauf beauftragt und am 22.04.1999 das Grundstück wieder veräußert. Das Finanzamt unterwarf entsprechend der gesetzlichen Neuregelung den gesamten Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer.

Der BFH hält die Neuregelung ab 1999 für verfassungswidrig, weil sie als unzulässige tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Vertrauensschutz des Klägers verstößt. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber kann zwar beachtliche Gründe haben, bestehende Rechtslagen zu ändern. Der Bürger kann deshalb nicht darauf vertrauen, dass Steuervergünstigungen und steuerliche Freiräume uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhalten bleiben.

Im Streitfall überwiege der Vertrauensschutz des Klägers jedoch das Änderungsinteresse des Gesetzgebers. Mit dem Erwerb des Grundstücks habe der Kläger eine wirtschaftlich motivierte Disposition getroffen und hierbei das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit in Anspruch genommen. Der Kläger musste mit dem steuerlichen Zugriff des Gesetzgebers in wirtschaftlich bereits eingetretene, bisher nicht steuerbare Wertzuwächse nicht rechnen und konnte dies bei seinen Dispositionen daher nicht berücksichtigen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs war der Gesetzgeber daher gehalten, eine angemessene Übergangsregelung zu treffen.

Die BFH-Richter riefen mit ihrem Beschluss das BVerfG an. Teilen die Karlsruher Richter die Auffassung des Bundesfinanzhofs, liegt bei ihnen die Entscheidungskompetenz, dem Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag für eine verfassungskonforme Übergangsregelung zu erteilen.

Wichtig: Die verfassungsrechtlichen Zweifel des BFH betreffen nicht die Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre insgesamt, sondern lediglich Fallkonstellationen, in denen die alte Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen und damit das Grundstück zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits "steuerentstrickt" war.

Hinweis: Das Finanzgericht Köln (Beschluss vom 25.07.2002, Aktenzeichen 13 K 460/01) hält die Verlängerung der Spekulationsfrist in einem zweiten Sonderfall für verfassungswidrig. Die Finanzrichter haben dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Neuregelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt der rückwirkenden Gesetzesänderung bereits veräußert war. Betroffen sind Grundstücke, die zwischen Inkrafttreten (01.01.1999) und Gesetzesbeschluss des Bundestages (04.03.1999) verkauft wurden. Dieses Verfahren ist beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 14/02 anhängig.

Siehe auch den BFH-Beschluß vom 15.7.2004, Aktenzeichen IX B 116/03.

Aktuelle Ergänzung: Beim BVerfG wird das Verfahren als sog. Normenkontrollverfahren unter dem Aktenzeichen 2 BvL 2/04 geführt. Die anhängige Rechtsfrage lautet:
Ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes – StEntlG 1999/2000/2002 mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden?

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