Quelle: |
Finanzgericht Berlin |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 30.09.2003 |
Aktenzeichen: | 5 K 5349/02 |
Schlagzeile: |
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung können auch bei einer unverheirateten Frau zwangsläufig sein
Schlagworte: |
Außergewöhnliche Belastung, Eheähnliche Gemeinschaft, Ehefrau, In-vitro-Fertilisation, Künstliche Befruchtung, Zwangsläufigkeit
Wichtig für: |
Eheähnliche Gemeinschaften
Kurzkommentar: |
Aufwendungen für eine (homologe) künstliche Befruchtung können auch bei einer unverheirateten Frau mit Kinderwunsch zwangsläufig und damit als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung verheirateter und unverheirateter Paare hinsichtlich der Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung ist nicht gerechtfertigt.
Hintergrund: Nach Ansicht des Finanzgerichts stand der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die (homologe) künstliche Befruchtung nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Unfruchtbarkeit durch die vorangegangene Sterilisation selbst verursacht hat. Zur Begründung verweisen die Finanzrichter darauf, dass Krankheitskosten generell auch dann zwangsläufig sind, wenn sie der Steuerpflichtige verursacht oder gar verschuldet hat.
Im Streitfall erkannte das Finanzgericht allerdings die Kosten dennoch nicht an. Die Sterilisation war nämlich nicht medizinisch unabweisbar erforderlich gewesen, sondern diente der Empfängnisverhütung und Risikominimierung. Unter dieser Voraussetzung seien die Kosten aber nicht mehr zu Lasten der Solidargemeinschaft als zwangsläufig anzusehen.
Hinweis: Siehe auch das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17. April 2003 (Aktenzeichen 12 K 6611/01 E). Die westfälischen Finanzrichter kamen zu dem gegenteiligen Ergebnis, dass sich nur eine verheiratete Frau in einer Zwangslage befinde, die eine steuermindernde Berücksichtigung der Kosten rechtfertige. Eine unverheiratete Frau habe bewusst auf den Schutz verzichtet, den das Grundgesetz der Ehe gewähre. Dieses Ergebnis entspreche auch der Wertung, die der Gesetzgeber auf anderen Rechtsgebieten getroffen habe. So übernähmen zum Beispiel Krankenkassen nur bei Eheleuten die Kosten für die Herbeiführung einer Schwangerschaft. Das letzte Wort hat jetzt der Bundesfinanzhof.
Das Urteil des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen III R 68/03 ist beim Bundesfinanzhof folgende Rechtsfrage anhängig:
Führt eine frühere, medizinisch nicht unbedingt erforderliche Sterilisation dazu, dass die Kosten für eine in-vitro-Fertilisation (homologe Insemination) nicht als zwangsläufig zu Lasten der Solidargemeinschaft anzusehen sind?