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Quelle:

Bundesverfassungsgericht
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 09.03.2004
Aktenzeichen: 2 BvL 17/02

Schlagzeile:

Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 verfassungswidrig

Schlagworte:

Auskunftsersuchen, Rasterfahndung, Sammelauskunftsersuchen, Spekulation, Spekulationsgeschäft, Verfassungsmäßigkeit

Wichtig für:

Kapitalanleger

Kurzkommentar:

§ 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Neufassung des EStG vom 16.04.1997 ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betrifft.

Infolge der Nichtigerklärung zählen die von der gleichheitswidrigen Norm erfassten privaten Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt, nicht (mehr) zu den erfassten Spekulationsgeschäften und damit auch nicht zu den sonstigen Einkünften, die der Einkommensteuer unterliegen. Dies betrifft nur die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998.

Hintergrund: In dem Normenkontrollverfahren ging es um die Frage, ob im Jahr 1997 bei der Besteuerung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG (in der 1997 gültigen Fassung) strukturelle, dem Gesetzgeber zurechenbare Erhebungsdefizite bestehen, und eine hierdurch bewirkte Besteuerungsungleichheit zu Lasten der Steuerehrlichen zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm führt. Betroffen sind private Veräußerungsgeschäfte, die Wertpapiere zum Gegenstand haben.

Über folgenden Fall hatten die Verfassungsrichter zu entscheiden: Ein Kapitalanleger erklärte in der Anlage KSO zu seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 sonstige Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von insgesamt 1.752 DM. Diese berücksichtigte das zuständige Finanzamt in seinem Einkommensteuerbescheid 1997 erklärungsgemäß. Der Kapitalanleger hielt den Ansatz des Spekulationsgewinns jedoch für verfassungswidrig. Seine mit dieser Begründung erhobene Sprungklage zum Finanzgericht blieb ohne Erfolg. Der von ihm im Revisionsverfahren angerufene Bundesfinanzhof (BFH) setzte das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.

Der BFH war von der Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm überzeugt. Er hat ausgeführt: Die Form der Steuererhebung sei unzureichend ausgestaltet, denn das der Finanzverwaltung zur Verfügung stehende Überprüfungsinstrumentarium sei entweder schon nicht einschlägig oder genüge nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen. Auf Grund der Erhebungssituation werde ein gleichmäßiger Belastungserfolg bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften prinzipiell verfehlt. Die gleichheitswidrige Belastung der Steuerehrlichen müsse sich der Gesetzgeber zurechnen lassen. Die in Rede stehende materielle Steuernorm werde durch die Finanzämter tatsächlich nicht vollzogen. Dies verdeutliche die Ungleichheit der steuerlichen Belastung.

Das BVerfG kommt zu dem Ergebnis. dass die Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 verfassungswidrig ist. In den Gründen der Entscheidung heißt es: Die von der zur Prüfung gestellten Steuernorm begründete materielle Steuerpflicht ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die mangelhafte Durchsetzung dieser materiellen Pflicht verstößt jedoch gegen das verfassungsrechtliche Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug. Dies führt zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm.

Die einkommensteuerliche Erfassung von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften hängt nach Auffassung der Verfassungsrichter vor allem von der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen ab. Wer für die Jahre 1997 und 1998 seine Steuererklärung in der vorgeschriebenen Form abgegeben und nicht erkennbar widersprüchliche oder unwahrscheinliche Angaben zu Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren gemacht hat, hat bei unvollständiger oder wahrheitswidriger Erklärung daraus erzielter Gewinne regelmäßig nur ein geringes Entdeckungsrisiko getragen.

In der Urteilsbegründung heißt es: Die Erhebung der Einkommensteuer auf Spekulationsgewinne bei Wertpapieren lädt gegenüber der Steuererhebung bei anderen Einkünften in den Jahren 1997 und 1998 zu rechtswidrigem Handeln geradezu ein.

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