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Quelle:

Niedersächsisches Finanzgericht
Art des Dokuments: Beschluss
Datum: 27.02.2007
Aktenzeichen: 8 K 549/06

Schlagzeile:

Niedersächsisches Finanzgericht hält Neuregelung der Pendlerpauschale ab 2007 für verfassungswidrig

Schlagworte:

Betriebsausgaben, Entfernungspauschale, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Nettoprinzip, Pendlerpauschale, Steueränderungsgesetz 2007, Verfassungsmäßigkeit, Werbungskosten, Werkstorprinzip

Wichtig für:

Alle Steuerzahler

Kurzkommentar:

Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Neuregelung der Entfernungspauschale (sog. Pendlerpauschale) in § 9 Abs. 2 EStG, nach der die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab 2007 nicht mehr als Werbungskosten qualifiziert werden, für verfassungswidrig. Es hat deshalb ein anhängiges Verfahren ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen.

Hintergrund: Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind seit 2007 nicht mehr als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig (sog. "Werkstorprinzip"). Aufgrund einer Härtefallregelung sind entsprechende Kosten pauschal mit 0,30 EUR lediglich noch ab dem 21. Entfernungskilometer "wie" Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Im Streitfall erzielten die Kläger (Ehegatten) Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Für ihre Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte - vom gemeinsamen Wohnort 41 km (Ehemann) bzw. 54 km (Ehefrau) entfernt - beantragen sie jeweils die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2007 unter Berücksichtigung der vollständigen Entfernung. Das beklagte Finanzamt gewährte den Freibetrag in Anwendung der Neuregelung in § 9 Abs. 2 EStG jedoch lediglich unter Berücksichtigung der Fahrten ab dem 21. Entfernungskilometer.

Nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts ist die Regelung in § 9 Abs. 2 EStG verfassungswidrig. Die durch das Steueränderungsgesetz 2007 vorgenommene Neuregelung ab 2007 verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser werde im Steuerrecht konkretisiert durch das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Aus dem Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit folge, dass in subjektiver und objektiver Hinsicht nur das Nettoeinkommen besteuert werden dürfe (subjektives und objektives Nettoprinzip).

Mit der Streichung des Werbungskostenabzugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verstoße der Gesetzgeber sowohl gegen das subjektive als auch gegen das objektive Nettoprinzip: Die Verletzung des subjektiven Nettoprinzips folge daraus, dass in bestimmten Fällen das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum besteuert werde. Dabei handele es sich um diejenigen Fälle, in denen bei Ansatz der Aufwendungen als Werbungskosten keine Einkommensteuer anfallen würde, weil das zu versteuernde Einkommen unter den Grundfreibetrag sinke, im umgekehrten Fall, d.h. bei fehlender Abzugsfähigkeit der Kosten, aber Steuer zu entrichten wäre.

Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip liege vor, weil der Gesetzgeber Kosten, die für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen zwangsläufig seien, um Arbeitseinkommen erzielen zu können, nicht mehr zum Abzug zulasse. Die in der Gesetzbegründung angeführte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sei kein sachlich ausreichender Grund für die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips.

Die Entscheidung des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen 2 BvL 1/07 (Aufnahme in die Datenbank am 7.3.2007) hat das Finanzgericht dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) folgende Frage vorgelegt:
Der Senat hält die ab dem 01.01.2007 geltende Regelung in § 9 Abs. 2 EStG, nach der die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten qualifiziert werden, für verfassungswidrig und holt daher nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlagefrage ein.
EStG § 9 Abs 2; EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 4; GG Art 3 Abs 1
Vorgehend: FG Hannover, Entscheidung vom 27.2.2007 (8 K 549/06)

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