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Quelle:

Finanzgericht Hamburg
Art des Dokuments: Beschluss
Datum: 16.09.2011
Aktenzeichen: 4 V 133/11

Schlagzeile:

Erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der auch politisch umstrittenen Kernbrennstoffsteuer

Schlagworte:

Brennelementesteuer, Gesetzgebungskompetenz, Kernbrennstoffsteuer, Steuerfindungsrecht, Verbrauchsteuer, Verfassungsmäßigkeit

Wichtig für:

Alle Steuerzahler

Kurzkommentar:

In einer bundesweit ersten Gerichtsentscheidung hat der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg die Anfang des Jahres 2011 als Verbrauchsteuer neu eingeführte Kernbrennstoffsteuer – auch „Brennelementesteuer“ genannt – in Frage gestellt und einem Eilantrag eines Kernkraftwerkbetreibers stattgegeben.

Zum Sachverhalt: Zum 1. Januar 2011 trat das von Beginn an umstrittene Kernbrennstoffsteuergesetz in Kraft, mit dem der Bund eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen eingeführt hat. Die Steuer wird durch die Hauptzollämter von den Kernkraftwerksbetreibern erhoben und entsteht, wenn ein Brennelement in einen Kernreaktor eingesetzt und eine sich Kettenreaktion ausgelöst wird. Bei einem Steuersatz von 145 EUR je Gramm Kernbrennstoff wurde bei Einführung der Steuer eine jährliche Einnahme von 2,3 Mrd. EUR erwartet. Von den damals noch 17 Kernkraftwerken sind nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März dieses Jahres zwischenzeitlich allerdings 8 Anlagen abgeschaltet worden.

Die Antragstellerin gab im Juli 2011 beim Hauptzollamt Hannover eine Steueranmeldung über rund 96 Mio. Euro Kernbrennstoffsteuer ab und zahlte diesen Betrag, um die Festsetzung von Säumniszuschlägen zu vermeiden. Zugleich reichte sie beim Finanzgericht Hamburg einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein, mit dem sie die Aufhebung der Vollziehung ihrer Steueranmeldung, d.h. die vorläufige Rückzahlung der von ihr gezahlten Kernbrennstoffsteuer begehrt.
Der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.

Nach Ansicht des Gerichts ist es ernstlich zweifelhaft, ob dem Bund für den Erlass der Kernbrennstoffsteuer nach dem Grundgesetz eine Gesetzgebungskompetenz zusteht. Der 4. Senat hat zum einen erhebliche Bedenken, ob die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus einer Verbrauchsteuer entspricht. Bei Verbrauchsteuern handele es sich nämlich typischerweise um Warensteuern, die den baldigen Verzehr oder den kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasteten. Als Besteuerung des Verbrauchs knüpften sie an das Verbringen des Gutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr an. Sie würden in der Regel bei demjenigen Unternehmer erhoben, der das Gut am Markt anbietet, seien aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt.

In seinem Beschluss führt der 4. Senat aus, dass Kernbrennstoffe kein Konsumgut seien, sondern ausschließlich zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet würden, ohne dabei in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr zu gelangen. Dass den Stromerzeugern eine Überwälzung der durch die Kernbrennstoffsteuer entstehenden zusätzlichen Kosten möglich sein werde, erwarte ausweislich der Gesetzesbegründung selbst der Gesetzgeber nicht.

Über den konkreten Fall hinaus reicht die Frage, ob der Gesetzgeber neben den im Grundgesetz genannten Steuern und Steuerarten noch neuartige Steuern einführen darf. Der 4. Senat hat in seinem Beschluss erhebliche Vorbehalte gegen ein solches „Steuerfindungsrecht“ geäußert. Er sieht die Gefahr, dass damit die von der Finanzverfassung sorgsam ausbalancierte Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern umgangen werden könnte.

Da der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg bereits ernstliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes hat, bestand für ihn kein Anlas, sich bereits in diesem Verfahren zu den weiteren streitigen Fragen zu äußern, etwa ob die Kernbrennstoffsteuer auch gegen die Grundrechte auf Gleichbehandlung und auf Eigentum oder gegen Europarecht verstößt.

Das Finanzgericht Hamburg hat in seinem Beschluss die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

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