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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 19.07.2011
Aktenzeichen: X R 26/10

Vorinstanz:

FG München
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 24.09.2009
Aktenzeichen: 15 K 2764/07

Schlagzeile:

Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen

Schlagworte:

Abschlussprovision, Abzinsung, Betreuung, Bewertung, Einzelkosten, Erfüllungsrückstand, Feststellungslast, Gemeinkosten, Nachbetreuung, objektive Beweislast, Provision, Rückstellung, Sachleistungsverpflichtung, Vermittlung, Versicherung

Wichtig für:

Versicherungsunternehmen, Versicherungsvertreter

Kurzkommentar:

1. Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes sind zu bilden, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält (Anschluss an BFH-Urteile vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866, und vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860).

2. Den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen des EStG lässt sich keine Beschränkung der Pflicht zur Bildung von Rückstellungen auf wesentliche Verpflichtungen entnehmen.

3. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist nicht auf die künftigen Betreuungsaufwendungen für den einzelnen Vertrag, sondern auf die im Unternehmen des Steuerpflichtigen künftig insgesamt anfallenden Aufwendungen für die Betreuung abzustellen.

4. Eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen setzt voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich verpflichtet ist.

5. Die Nachbetreuungsverpflichtung ist eine Sachleistungsverpflichtung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG; sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten und gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG abzuzinsen.

6. Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen Vertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.

7. Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro Vertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung. Der (voraussichtliche) Zeitaufwand ist im Einzelnen darzulegen.

8. Die Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Die Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen.

9. Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von Verträgen ohne Bestandspflegeprovision mit Verträgen mit Bestandspflegeprovision.

10. Der Steuerpflichtige trägt im Fall eines "non-liquet" die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihm behaupteten Aufwendungen für nachträgliche Betreuungsleistungen.

Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren Urteilen vom 19. Juli 2011 (Az. X R 26/10 sowie X R 8/10, X R 9/10 und X R 48/08) entschieden, dass ein Versicherungsvertreter Rückstellungen für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen zu bilden hat.

In dem Streitfall X R 26/10 hatte der Versicherungsvertreter in seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2004 erstmals eine Rückstellung für Bestandspflege passiviert. Das Finanzamt lehnte den Ansatz einer Rückstellung ab, das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt. Die Rückstellung sei dem Grunde nach berechtigt; allerdings sei nur ein Aufwand von 0,5 Stunden pro Vertrag und Jahr anzusetzen, der zu einer Rückstellung von 40.911 € führe.

Der BFH hielt im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung die Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen grundsätzlich für geboten. Den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen des Einkommensteuergesetzes lasse sich keine Beschränkung der Pflicht zur Bildung von Rückstellungen auf wesentliche Verpflichtungen entnehmen. Der BFH hob das angefochtene Urteil aber auf, da die rechtliche Pflicht zur Nachbetreuung nicht hinreichend geklärt sei. Zur Höhe der Rückstellung werden in der Entscheidung umfangreiche Hinweise gegeben; der BFH verlangt, dass insoweit konkrete Aufzeichnungen geführt und vorgelegt werden, die eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen ermöglichen.

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