Quelle: |
Bundesfinanzhof |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 12.01.2012 |
Aktenzeichen: | IV R 4/09 |
Vorinstanz: |
FG Niedersachsen |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 16.12.2008 |
Aktenzeichen: | 15 K 40/07 |
Schlagzeile: |
Anforderungen an die Investitionsabsicht bei der Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung
Schlagworte: |
Auflösung, Ersatzwirtschaftsgut, Gewinnrealisierung, Höhere Gewalt, Investitionsabsicht, Reinvestitionsfrist, Rücklage für Ersatzbeschaffung, Stille Reserven
Wichtig für: |
Gewerbetreibende
Kurzkommentar: |
Rücklage für Ersatzbeschaffung:
Reinvestitionsfrist und Anfor¬derungen an Investitionsabsicht
1. Nach Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ist die Reinvestition innerhalb von vier Wirtschaftsjahren nach der Bildung der Rücklage auszuführen. Bei der beabsichtigten Herstellung eines neuen funktionsgleichen Gebäudes beträgt die Frist sechs Wirtschaftsjahre. Soweit das Ersatzwirtschaftsgut bis zum Ablauf der Frist nicht angeschafft oder hergestellt worden ist, ist die Rücklage bei Fristablauf gewinnerhöhend aufzulösen (Abweichung von R 35 EStR a.F.).
2. Es wird widerleglich vermutet, dass die bei Bildung der Rücklage nachgewiesene Investitionsabsicht bis zum Fristablauf fortbesteht. Wird festgestellt, dass die Investitionsabsicht vor Ablauf der Reinvestitionsfrist aufgegeben worden ist, ist die Rücklage für Ersatzbeschaffung im Zeitpunkt der Aufgabe der Absicht aufzulösen.
Hintergrund: Nach den von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung in R 6.6 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR 2008) übernommenen Grundsätzen zur sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird. Bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung handelt es sich um ein inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut, dem der Gedanke zugrunde liegt, dass die für die ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter erlangten Beträge ungeschmälert einer Ersatzbeschaffung zur Verfügung stehen sollen, was nicht möglich wäre, wenn sie zum Teil besteuert würden. Zweck der Anerkennung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und deren Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut ist danach nicht allein, die als unbillig empfundene Besteuerung eines Gewinns, der durch die zwangsweise Aufdeckung stiller Reserven entsteht, zu vermeiden; vielmehr soll es dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden, die erlangte Entschädigung ungeschmälert zur Wiederbeschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden.
Die Bildung der Rücklage bewirkt, dass der durch die Ersatzforderung bzw. Ersatzleistung realisierte Gewinn neutralisiert wird. Ihre Bildung setzt aber voraus, dass die Absicht zur Ersatzbeschaffung besteht; andernfalls bleibt es bei der Gewinnerhöhung. Der Steuerpflichtige hat das Bestehen der Ersatzbeschaffungsabsicht darzulegen und nachzuweisen. Ein bilanzierender Steuerpflichtiger dokumentiert diese Absicht bereits durch die ordnungsgemäße Bildung der Rücklage in seiner Bilanz. Ein darüber hinausgehender Nachweis oder eine Glaubhaftmachung der Reinvestitionsabsicht wird für die erstmalige Bildung der Rücklage nicht verlangt, solange dem Steuerpflichtigen die Vornahme der Investition objektiv möglich ist.