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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 19.01.2017
Aktenzeichen: IV R 50/14

Vorinstanz:

FG Münster
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 11.12.2013
Aktenzeichen: 6 K 3045/11 F

Schlagzeile:

Abgrenzung des physischen Goldhandels von privater Vermögensverwaltung

Schlagworte:

Anlagevermögen, Anschaffungskosten, Buchführungspflicht, DBA-Großbritannien, Einnahmenüberschussrechnung, Fiktion, Gewerbebetrieb, Gewerblich geprägte Personengesellschaft, Gold, Goldbarren, Goldfinger-Modell, Personengesellschaft, Progressionsvorbehalt, Steuersparmodell, Steuerstundung, Steuerstundungsmodell, Steuerumgehung, Umlaufvermögen, Verfahrensrügen, Verlustfeststellung, Vermögensverwaltung, Wertpapier, Zuordnung

Wichtig für:

Kapitalanleger

Kurzkommentar:

Bundesfinanzhof akzeptiert Gestaltungen betreffend gewerblicher Verluste durch Ankauf physischen Goldes

Abgrenzung des physischen Goldhandels von privater Vermögensverwaltung - keine Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 4 Variante 3 EStG auf den physischen Goldhandel - gewerbliche Gewinne i.S. des DBA-Großbritannien - Buchführungspflicht einer Gesellschaft ausländischen Rechts - Feststellung ausländischen Rechts - Berücksichtigung von Verfahrensrügen - Wertpapiere verbriefen unkörperliches Recht - Steuerumgehung - Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG


1. Ob der Ankauf und Verkauf von Gold als Gewerbebetrieb anzusehen ist, muss anhand der Besonderheiten von Goldgeschäften beurteilt werden. Ein kurzfristiger und häufiger Umschlag des Goldbestands sowie der Einsatz von Fremdkapital können Indizien für eine gewerbliche Tätigkeit sein. Die Grundsätze des Wertpapierhandels sind auf den Handel mit physischem Gold nicht übertragbar.

2. Goldbarren sind keine Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen oder Rechte i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 4 Variante 3 EStG.

EStG § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 3 Satz 4 Variante 1, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 15b, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
EStG § 4 Abs. 3 Satz 4 Variante 3 i.d.F. des StEindämmG
EStG § 15b Abs. 3a, § 32b Abs. 1 Satz 3 i.d.F. des AIFM-StAnpG
EStG § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG
DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. II Abs. 1 Buchst. l (i), Art. III Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Art. VIII Abs. 2, Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a
AO § 42, § 140, § 141, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 Nr. 1
FGO § 96 Abs. 1 Satz 2, § 118 Abs. 1, Abs. 2, § 123 Abs. 1, § 155 Satz 1
HGB §§ 238 ff., § 247 Abs. 2
ZPO § 293

Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteilen vom 19. Januar 2017 IV R 10/14 und IV R 50/14 zwei – auch als "Goldfinger-Modelle" beschriebene – Gestaltungen akzeptiert, bei denen Personengesellschaften durch den Ankauf physischen Goldes Verluste aus Gewerbebetrieb erzielt haben. Diese Gestaltungen führen bei den Gesellschaftern zu Steuervorteilen, wenn kein sog. Steuerstundungsmodell vorliegt.

Bei der inlandsbezogenen Gestaltung (inländische Personengesellschaft - „Inlandsfall“ [BFH IV R 10/14]) tritt typischerweise ein "Steuerstundungseffekt" ein. Dieser Effekt entsteht dadurch, dass die Anschaffungskosten für das Gold als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu einem gewerblichen Verlust führen, der mit bzw. von anderen positiven Einkünften der Gesellschafter ausgeglichen bzw. abgezogen werden kann. Bei der auslandsbezogenen Gestaltung (ausländische Personengesellschaft - „Auslandsfall“ [BFH IV R 50/14]) kommt es typischerweise zu einer endgültigen Reduzierung der Einkommensteuerbelastung. Dies ist eine Folge des durch die ausländischen Verluste ggf. bis auf Null reduzierten Steuersatzes (sog. negativer Progressionsvorbehalt), dem durch den Verkauf des Goldes in einem späteren Jahr regelmäßig keine oder nur eine geringe Steuersatzsteigerung gegenübersteht.

Die Gestaltungen basieren (verkürzt dargestellt) darauf, dass die Personengesellschaften durch den An- und Verkauf physischen Goldes eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, sie ihren Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln dürfen und sie dabei die Anschaffungskosten für das als Umlaufvermögen zu qualifizierende Gold sofort als Betriebsausgaben geltend machen können.

Der BFH bestätigte in beiden Fällen die Urteile der Vorinstanzen, wonach im Inlandsfall u.a. entsprechende Verluste (negative Einkünfte) aus Gewerbebetrieb und im Auslandsfall entsprechende negative Progressionseinkünfte festzustellen sind. Er entschied im Inlandsfall, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die nur kraft Fiktion gewerbliche Einkünfte erzielt, Umlaufvermögen haben kann. Im Auslandsfall entschied er, dass auf den An- und Verkauf von physischem Gold die Grundsätze des Wertpapierhandels nicht übertragbar sind; er bejahte aufgrund der Besonderheiten des Goldhandels einen Gewerbetrieb i.S. des § 15 Abs. 2 EStG. Zu beiden Fällen führte er aus, dass die Aufwendungen im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung für die Anschaffung der Goldbarren nicht nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Varianten 1 oder 3 EStG vom sofortigen Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind.

Allerdings ist der Gesetzgeber zwischenzeitlich gegen derartige Gestaltungen vorgegangen. Er hat für Inlandsfälle dem § 15b EStG einen Absatz 3a angefügt. Danach liegt unter den dort näher genannten Voraussetzungen ein Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b EStG vor. Verluste hieraus können nicht mehr mit bzw. von anderen positiven Einkünften ausgeglichen bzw. abgezogen werden, sondern sind nur noch mit künftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechenbar (erstmals anwendbar auf Modelle, bei denen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nach dem 28. November 2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden). Für Auslandsfälle hat er zum einen die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe c EStG eingefügt, die bei Ermittlung des anzuwendenden Einkommensteuersatzes einen sofortigen Betriebsausgabenabzug verhindert (erstmals anwendbar auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28. Februar 2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden). Zum anderen hat er § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG um die --in allen offenen Fällen anwendbare-- Regelung ergänzt, dass § 15b EStG sinngemäß anzuwenden ist.

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