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Quelle:

Finanzgericht Baden-Württemberg
Art des Dokuments: Beschluss
Datum: 14.06.2017
Aktenzeichen: 2 K 2413/15

Schlagzeile:

Europarechtliche Zweifel an der Wegzugsbesteuerung bei einem Umzug in die Schweiz

Schlagworte:

Außensteuergesetz, Diskriminierungsverbot, EuGH-Vorlage, Freizügigkeit, Freizügigkeitsabkommen, Grundfreiheiten, Schweiz, Stille Reserven, Stundung, Teileinkünfteverfahren, Veräußerungsgewinn, Vorabentscheidungsersuchen, Wegzugsbesteuerung, Wesentliche Beteiligung

Wichtig für:

Steuerberater

Kurzkommentar:

Das Finanzgericht Baden-Württemberg legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vor, ob die sofortige Besteuerung eines Wertzuwachses im Zeitpunkt des Wegzugs mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Nach Ansicht des 2. Senats kann sich der Kläger auf das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten und der Schweiz über die Freizügigkeit (FZA) berufen. Das Abkommen enthalte ein Diskriminierungsverbot. Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten sei „auf die im FZA normierten Freizügigkeitsrechte im Verhältnis zur Schweiz übertragbar.“ Die Niederlassungsfreiheit, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die allgemeine Freizügigkeit stehe „jeder Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung derselben zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“. Die sog. Wegzugsbesteuerung habe für den Kläger, der seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz verlegt habe, „zumindest abschreckende Wirkung“. Er habe nach nationalem Recht einen nicht realisierten Gewinn im Zeitpunkt des Wegzugs zu versteuern. Die Besteuerung könne zwar gerechtfertigt sein, da sie eine „ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsprinzip, verbunden mit einer zeitlichen Komponente“ sicherstelle. Die Besteuerungsbefugnis erstrecke sich lediglich auf die Wertzuwächse, die im deutschen Hoheitsgebiet in dem Zeitpunkt erzielt worden sind, in dem der Kläger im Inland ansässig gewesen ist. Die sofortige Einziehung der Steuer sei jedoch nicht verhältnismäßig. Eine automatische zeitlich unbegrenzte Stundung bis zur Realisierung der Gewinne könne ein milderes Mittel darstellen.

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, ist seit 2008 Geschäftsführer einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft, an der er zur Hälfte beteiligt ist. Im Streitjahr 2011 verlegte er seinen Wohnsitz vom Inland in die Schweiz. Das beklagte Finanzamt unterwarf die Wertsteigerung des Anteils an der Kapitalgesellschaft, die sog. stillen Reserven, im Inland der Besteuerung. Es setzte einen fiktiven Veräußerungsgewinn nach dem Außensteuergesetz unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens nach dem Einkommensteuergesetz in Höhe von 113.645 € fest. Der Wegzug führe zur zeitlichen Vorverlagerung der Einkommensteuer auf den Gewinn aus einer (möglichen) Veräußerung des Anteils an der Kapitalgesellschaft. Die Steuer hierauf sei nicht zinslos, unbefristet und ohne Sicherheitsleistung bis zum Verkauf der Anteile zu stunden. Stundungsmöglichkeiten bestünden lediglich bei einem Wegzug in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Die Gefahr einer Doppelbesteuerung bestehe nicht. Eine Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft unterliege in der Schweiz nicht der Besteuerung.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig. Das Aktenzeichen beim BFH lautet: VI R 39/17.

In der offiziellen Datenbank des BFH sind folgende Informationen hierzu gespeichert:
EuGH Anhängiges Verfahren, C-581/17 (Aufnahme in die Datenbank am 9.11.2017)
Vorabentscheidungsersuchen des FG Baden-Württemberg vom 14.06.2017, eingereicht am 04.10.2017, zu folgender Frage:
Sind die Vorschriften des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999, in Kraft getreten am 01.06.2002, insbesondere dessen Präambel sowie Art. 1, 2, 4, 6, 7, 16 und 21 und Anhang I Art. 9 dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der, damit kein Besteuerungssubstrat entgeht, latente, noch nicht realisierte Wertsteigerungen von Gesellschaftsrechten (ohne Aufschub) besteuert werden, wenn ein in diesem Staat zunächst unbeschränkt steuerpflichtiger Staatsangehöriger dieses Mitgliedstaats seinen Wohnsitz von diesem Staat in die Schweiz und nicht in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Staat verlegt, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet?
AEUV Art 267; AStG § 6; EStG § 17 Abs 2; AEUV Art 63; AEUV Art 49; AEUV Art 45; AEUV Art 21;

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