Quelle: |
Niedersächsisches Finanzgericht |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 15.05.2019 |
Aktenzeichen: | 9 K 139/13 |
Schlagzeile: |
An ausländische Investoren gerichtete, modellhafte Investitionskonzeption zur Beteiligung an einem Windpark ist kein Steuerstundungsmodell
Schlagworte: |
Anlaufverlust, Anscheinsbeweis, Beteiligung, Degressive Abschreibung, Gewinnerzielungsabsicht, Investitionskonzeption, Sonderabschreibung, Steuerstundung, Steuerstundungsmodell, Steuervorteil, Verlustausgleichsbeschränkung, Windkraftanlage, Windpark
Wichtig für: |
Steuerberater
Kurzkommentar: |
1. Die Konzeption eines Windparks in Form von 13 vorgründeten Personengesellschaften, die jeweils eine Windkraftanlage betreiben sollen, stellt jedenfalls dann kein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG dar, wenn das vorgefertigte Konzept, das sich ausschließlich an dänische Investoren richtete, weder auf im Inland erzielbare Steuervorteile oder einen im Inland entstehenden Steuerstundungseffekt aufbaut noch mit solchen Steuervorteilen oder Steuerstundungseffekten geworben wird.
2. Zwar kann bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft die Übernahme der Geschäftsführung ein Steuerstundungsmodell, das in der Regel durch die Passivität des Investors gekennzeichnet ist, ausschließen. Trotz eingeräumter Finanzierungsfreiheit und Übernahme der Geschäftsführung kann im Einzelfall gleichwohl ein Steuerstundungsmodell vorliegen, wenn die Rahmenbedingungen und damit der Kern modellhaft vorgegeben sind und von dem Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs nicht (mehr) beeinflusst werden können.
3. Es besteht kein Anscheinsbeweis dahingehend, dass bei der Gründung einer Vielzahl gleichartiger Gesellschaften mit nur einem oder wenigen Kommanditisten nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die Investition zur Erlangung steuerlicher Vorteile getätigt worden ist. Vielmehr ist nach den allgemeinen Regeln über die Darlegungs- und Feststellungslast zu entscheiden. Da es sich bei § 15 b EStG um eine Verlustausgleichsbeschränkung und damit um eine steuererhöhende Vorschrift handelt, trägt das beklagte Finanzamt die Darlegungs- und Feststellungslast.
4. Negative Einkünfte bedingt durch die Inanspruchnahme degressiver AfA oder Sonderabschreibungen sind bei betriebswirtschaftlich sinnvollen Investitionen typische Anlaufverluste, die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 15 b EStG fallen sollten.
5. Die Anwendung des § 15 b EStG auf Fälle der vorliegenden Art würde im Übrigen bedeuten, weit über das gesetzgeberische Ziel hinauszugehen und Erwerber einer Windmühle im Rahmen eines Windparkkonzeptes anders zu beurteilen als Großinvestoren, die einen gesamten Windpark betreiben oder Einzelinvestoren, die lediglich eine einzelne Windkraftanlage erwerben. Bei den letztgenannten Gruppen stände außer Frage, dass – wegen der vorhandenen unbestreitbaren Gewinnerzielungsabsicht – negative Ergebnisse in den ersten Jahren nach der Investition etwa beruhend auf der Inanspruchnahme von AfA, Sonderabschreibungen und Finanzierungskosten steuerlich unbeanstandet in Ansatz gebracht werden könnten. Eine derartige Ungleichbehandlung ist nicht zu rechtfertigen und nicht Ziel der Einführung des § 15 b EStG (ähnlich FG Münster, Urteil vom 24. November 2015 12 K 3933/12 F, EFG 2016, 362; Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 7/16).
Hintergrund: Die Konzeption eines Windparks in Form von 13 vorgründeten Personengesellschaften, die jeweils eine Windkraftanlage betreiben sollen, stellt nach Auffassung des 9. Senats des Niedersächsischen FG jedenfalls dann kein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG dar, wenn das vorgefertigte Konzept, das sich ausschließlich an dänische Investoren richtete, weder auf im Inland erzielbare Steuervorteile oder einen im Inland entstehenden Steuerstundungseffekt aufbaut noch mit solchen Steuervorteilen oder Steuerstundungseffekten geworben wird.
Im Streitfall war Klägerin eine von insgesamt 13 inländischen Personengesellschaften, die im Windpark X jeweils eine Windenergieanlage betreiben. Alle Betreibergesellschaften des Windparks sind eingebunden in ein Vertragsgeflecht mit Firmen einer Unternehmensgruppe, die deutschlandweit mehrere Hundert Windkraftanlagen konzipiert hat und betreut. Die Initiatoren des Konzepts hatten zuvor die Personengesellschaften vorgegründet mit jeweils einer dänischen Komplementär-GmbH und einer dänischen GmbH als Kommanditistin und „Platzhalter" für jeweils ein bis max. drei potentielle dänische Investoren. Im Vorfeld der Vermarktung waren bereits die Nutzungsverträge über die Grundstücke, Generalunternehmerverträge über den Bau der Anlagen, Darlehenskonditionen und Einspeiseverträge vorverhandelt bzw. abgeschlossen und eine Infrastrukturgesellschaft, an der sich die Investoren ebenfalls beteiligen mussten, gegründet worden. Allein der Umfang der Fremdfinanzierung konnte von den potentiellen Investoren bestimmt werden. Nach dem Konzept sollte sich für die dänischen Investoren über die Laufzeit von 20 Jahren eine erhebliche Vorsteuerrendite ergeben.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung würdigte das beklagte Finanzamt das Konzept insgesamt als Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG und stellte für die Klägerin und den dänischen Investor als Kommanditisten (Beigeladener) die in den Streitjahren 2006 bis 2008 erwirtschafteten Verluste als nur verrechenbar fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage jedoch statt. Es ging zwar mit dem Finanzamt davon aus, dass ein vorgefertigtes Konzept im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG vorlag. Gleichwohl verneinte der 9. Senat das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells, weil sich dieses Konzept ausschließlich an dänische Investoren richtete und für diese allein die dänischen Steuerrechtsverhältnisse und die garantierten Strompreise nach dem EEG entscheidend waren für den Erwerb der Beteiligung. Allein der Vortrag des Finanzamts, die dänischen Investoren könnten nach dem Konzept entstandene Verluste im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht mit anderen positiven Einkünften verrechnen, war aus Sicht des Senats insoweit nicht hinreichend. Im Übrigen wies das FG darauf hin, dass negative Einkünfte bedingt durch die Inanspruchnahme degressiver AfA oder Sonderabschreibungen bei betriebswirtschaftlich sinnvollen Investitionen typische Anlaufverluste sind, die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 15 b EStG fallen sollen.
Das FG hat die Revision zugelassen.