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Quelle:

Finanzgericht Köln
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 19.07.2019
Aktenzeichen: 2 K 2672/17

Schlagzeile:

Keine mehrfache Erstattung einer nur einmal einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer bei cum/ex-Geschäften

Schlagworte:

Anrechnung, cum Dividende, cum/ex-Geschäft, cum/ex-Verfahren, Dividende, Erstattung, ex Dividende, Gesamtvertragskonzept, Kapitalertragsteuer, Leerverkauf, Mehrfach-Anrechnung, Wirtschaftliches Eigentum

Wichtig für:

Steuerberater

Kurzkommentar:

Die mehrfache Erstattung einer nur einmal einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer scheidet denknotwendig aus.

Die Leitsätze des FG Köln lauten:

1. Die Erstattung von Kapitalertragsteuer gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG setzt voraus, dass der Kläger der Gläubiger der Kapitalerträge ist und die Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wurde.

2. Gläubiger der Kapitalerträge ist der zivilrechtliche Eigentümer oder der wirtschaftliche Eigentümer der Wertpapiere.

3. Bei außerbörslichen Aktiengeschäften geht das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien erst im Zeitpunkt der Belieferung auf den Aktienkäufer über. Die zum Inhaberkauf ergangene Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 15. Dezember 1999 – I R 29/97), wonach für über die Börse abgeschlossene Aktiengeschäfte der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums aufgrund der Börsenusancen bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Aktienkaufvertrages erfolgt, betrifft nur Verkäufe über die Börse durch einen privaten Bestandsverkäufer. Sie ist nicht auf außerbörsliche, sog. over-the-counter (OTC) Geschäfte übertragbar. Denn zwischen dem börslichen und dem außerbörslichen (OTC-)Handel bestehen derartige Unterschiede, dass eine Übertragung der Grundsätze zum börslichen Handel nicht gerechtfertigt ist. Die Börsenmechanismen, die dem börslichen Handel anhaften und die der BFH seinem Urteil vom 15. Dezember 1999 (I R 29/97) zugrunde gelegt hat, gelten nicht gleichermaßen im außerbörslichen (OTC-)Handel. Weder aus dem BFH-Urteil vom 16. April 2014 (I R 2/12) noch aus der Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2007 (BTDrucks. 16/2712) ist etwas anderes abzuleiten.

4. Ungeachtet dessen hat der BFH in seinem Urteil vom 16. April 2014 (I R 2/12) jedenfalls herausgestellt, dass – unabhängig von der Frage, ob bei außerbörslichen Geschäften grundsätzlich bereits mit Vertragsschluss wirtschaftliches Eigentum erworben werden kann – das für die Zuweisung wirtschaftlichen Eigentums maßgebende „Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall“ (z. B. BFH-Urteil vom 5.10.2011 - IX R 57/10) dazu führt, dass jedenfalls ein modellhaft aufgelegtes Gesamtvertragskonzept dem Erwerb von wirtschaftlichem Eigentum vor dem Dividendenstichtag – mit Blick auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG oder zu einem späteren Zeitpunkt mit Blick auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V. m. Satz 4 EStG – von vornherein entgegensteht. Ein solches den Erwerb von wirtschaftlichem Eigentum jedenfalls hinderndes Gesamtvertragskonzept liegt etwa vor, wenn die Wertpapiererwerbe im untrennbaren Zusammenhang mit Finanzierungs-, Wertpapierleih- und (Total-Return-) Swapgeschäften sowie einem kurzfristigen Rückverkauf stehen, denn dann ist eine nennenswerte Inanspruchnahme der mit dem Innehaben der Wertpapiere verbundenen Rechte durch den Erwerber ausgeschlossen und es liegt ein bloßer Durchgangsverkehr vor (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2014 - I R 2/12).

5. Auch bei börslichen Geschäften über den zentralen Kontrahenten (Central Counterparty, CCP) erfolgt ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht bereits mit Abschluss der schuldrechtlichen Verträge. Da der Zentrale Kontrahent über keinen eigenen Aktienbestand verfügt, ist er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses stets Leerverkäufer. Deshalb geht das wirtschaftliche Eigentum erst im Zeitpunkt der Lieferung der Aktien über.

6. Ist der Verkäufer im Zeitpunkt des Kaufabschlusses nicht selbst Inhaber der verkauften Wertpapiere (sog. Leerverkäufer), kann der (Leer-)Käufer mit Abschluss des schuldrechtlichen Aktienkaufvertrages nicht das wirtschaftliche Eigentum erwerben. Es ist nicht denkbar, dass der Leerkäufer den Aktieninhaber als zivilrechtlichen Eigentümer dauerhaft von einer Einwirkung auf die Aktien ausschließt, denn der Leerkäufer steht in keinerlei vertraglicher oder sonstiger Beziehung zum Anteilseigner und hat demzufolge auch keinerlei Möglichkeit den Anteilseigner von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut auszuschließen. Der Leerverkäufer hat bei Kaufabschluss kein wirtschaftliches Eigentum an den Aktien, das auf den Käufer übergehen könnte. Dem steht das BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 (I R 29/97) nicht entgegen, da dieses einen Inhaberverkauf und nicht einen Leerverkauf betraf. Auch der Gesetzesbegründung zum JStG 2007 ist im Ergebnis nichts anderes zu entnehmen.

7. Paralleles mehrfaches wirtschaftliches Eigentum, also eine Vervielfältigung des wirtschaftlichen Eigentums an der gleichen Aktie, ist nicht möglich. Dies würde sowohl dem inneren System des Zivilrechts als auch dem des Steuerrechts, sowie dem Wortlaut des § 39 AO widersprechen. Weder das BFH-Urteil vom 16. April 2014 (I R 2/12) noch die Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2007 stehen dem entgegen.

8. Ungeachtet dessen, dass nach Überzeugung des Senats Aktienerwerbe über den Zentralen Kontrahenten an der Börse Erwerbe vom Leerverkäufer darstellen, ist im Streitfall zudem nicht auszuschließen, dass der Kläger – blendet man den Zentralen Kontrahenten aus – in der „Erwerbskette“ und bei einer Durchgriffsbetrachtung auch ganz konkret von einem Leerverkäufer erworben hat. Dies hat zur Folge, dass das wirtschaftliche Eigentum auch insoweit nicht mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages übergegangen ist.

9. Gemäß den allgemeinen Regeln zur objektiven Feststellungs- und Beweislast obliegt es dem Aktienkäufer bei Geschäften über den zentralen Kontrahenten zum Nachweis des Erwerbs wirtschaftlichen Eigentums als Voraussetzung der Kapitalertragsteuererstattung, den Aktienverkäufer zu benennen, der an den zentralen Kontrahenten geliefert hat. Bleibt ungeklärt, ob es sich um einen Inhaberverkäufer oder um einen Leerverkäufer handelt, ist die Erstattung zu versagen.

10. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG fordert, dass die Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wurde. Es reicht nicht aus, dass „irgendeine“ Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wurde. Vielmehr muss sie für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einbehalten und abgeführt worden sein.

11. Dabei hat ein Aktienkäufer bei außerbörslichen (over-the-counter, OTC) Aktiengeschäften oder börslichen Aktiengeschäften über den zentralen Kontrahenten um den Dividendenstichtag, die cum Dividende abgeschlossen und ex Dividende beliefert werden, keinen Anspruch auf Anrechnung der vom Emittenten auf die originäre Dividende erhobenen Kapitalertragsteuer.

12. Auf Dividendenkompensationszahlungen im Leerverkauf wurde bis zum Jahre 2007 keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt. Zum 1. Januar 2007 führte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2007 eine Regelung in das Einkommensteuergesetz ein, die die Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer bei Dividendenkompensationszahlungen im Leerverkauf sicherstellen sollte. Bei einer Beteiligung von Auslandsbanken deuten die Umstände regelmäßig darauf hin, dass ein solcher Steuerabzug nicht stattgefunden hat. Ein ausländisches Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut ist gerade nicht gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3, 3. Alt. EStG verpflichtet, Kapitalertragsteuer auf die Kompensationszahlung einzubehalten und abzuführen. Dann ist genau der Fall gegeben, der auch nach der im Jahre 2007 in Kraft getretenen Regelung der Dividendenkompensationen nicht zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer führte.

13. Die Ansicht, der Gesetzgeber habe durch die neuen Regelungen im Jahressteuergesetz 2007 eine mehrfache Anrechnung der Kapitalertragsteuer bewusst in Kauf genommen und habe die negativen Auswirkungen auf das Steueraufkommen durch die Gesetzesänderungen – wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe – nur verkleinern wollen, ist nicht haltbar.

Hintergrund: Das Finanzgericht Köln hat erstmalig in der Sache in einem sogenannten "cum/ex-Verfahren" entschieden. Dem Rechtsstreit lagen Aktiengeschäfte zugrunde, die vor dem Dividendenstichtag mit einem Anspruch auf die zu erwartende Dividende ("cum-Dividende") abgeschlossen und nach dem Dividendenstichtag vereinbarungsgemäß mit Aktien ohne Dividendenanspruch ("ex-Dividende") erfüllt wurden. Zu entscheiden war, ob dem Aktienkäufer ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer zustand.

Dies hat der 2. Senat des Finanzgerichts Köln verneint. Der Kläger sei weder rechtlicher, noch wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien am Dividendenstichtag gewesen. Die Annahme, dass es mehrere parallele wirtschaftliche Eigentümer an derselben Aktie geben könne, sei logisch unmöglich. Dies widerspreche sowohl der zivilrechtlichen als auch steuerrechtlichen Systematik.

Der Kläger habe auch nicht nachweisen können, dass die Kapitalertragsteuer für ihn einbehalten und abgeführt worden sei. Dabei reiche es nicht aus, dass „irgendeine“ Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt werde. Vielmehr müsse dies für Rechnung des Klägers erfolgt sein. Der Senat hob hervor, dass der Kläger hierfür nachweispflichtig sei, da er eine Steuererstattung begehre.

Dem Ergebnis stehe auch weder die Gesetzesbegründung noch die höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen. Die Ansicht, der Gesetzgeber habe durch die Neuregelungen im Jahressteuergesetz 2007 eine Mehrfach-Anrechnung einmal einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer gebilligt, sei nicht haltbar. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich vielmehr, dass der Gesetzgeber hierdurch die Steuerausfälle gerade habe vermeiden wollen.

Das Verfahren bildet ein Musterverfahren für eine Vielzahl derzeit noch beim Bundeszentralamt für Steuern anhängiger vergleichbarer Streitfälle. Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens gegen sein Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof in München zugelassen.

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