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Quelle:

Finanzgericht Hamburg
Art des Dokuments: Beschluss
Datum: 01.09.2020
Aktenzeichen: 4 K 67/18

Schlagzeile:

EuGH-Vorlagen zum Umfang des unionsrechtlichen Zinsanspruchs

Schlagworte:

Abgabenrecht, Antidumpingzoll, Ausfuhrerstattung, Einfuhrabgaben, EuGH-Vorlage, Rechtssetzungsfehler, Unionsrecht, Verzinsung, Vorabentscheidungsersuchen, Zollrecht

Wichtig für:

Steuerberater

Kurzkommentar:

Das FG Hamburg hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur folgenden Frage gebeten:

Ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Verletzung rechtsgültiger Vorschriften des Unionsrechts festsetzt und ein mitgliedstaatliches Gericht diesen Verstoß gegen das Unionsrecht feststellt?

Hintergrund: Nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH besteht eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedsstaaten, zu erstattende Beträge ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen, wenn Einfuhr- oder andere Abgaben unter Verstoß gegen Unionsrecht erhoben worden sind (zuletzt EuGH vom 18. Januar 2017, Wortmann, C-365/15, ebenso z.B. vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich, C-113/10; vom 18.4.2013, Rimie, C-565/11). Sämtliche Entscheidungen betrafen einen Ausgleich für Zahlungen, die aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht für ungültig oder nichtig erklärter Normen erfolgt waren, mithin auf einem Rechtssetzungsfehler beruhten.

In drei Vorabentscheidungsverfahren des 4. Senats geht es dagegen um Folgen von Rechtsanwendungsfehlern. Dem geltend gemachten Zinsanspruch liegt in dem Verfahren 4 K 67/18 eine Entscheidung zugrunde, mit der das Hauptzollamt zu Unrecht Einfuhrabgaben nacherhoben hatte, weil es Ware fehlerhaft einer Position der Kombinierten Nomenklatur zugeordnet hatte. In der Sache 4 K 56/18 hatte das Hauptzollamt eine Unterposition der Kombinierten Nomenklatur falsch ausgelegt und zu Unrecht die Gewährung von Ausfuhrerstattungen verweigert und überdies eine Sanktion wegen vermeintlich überhöhter Beantragung von Ausfuhrerstattung verhängt. In dem Verfahren 4 K 14/20 hatte die Behörde schließlich einen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde gelegt. Nach nationalem Recht kam eine Verzinsung der Erstattungsansprüche jeweils nur für Zeiten der Rechtshängigkeit nach § 236 AO in Betracht.

Der EuGH wird nun darüber zu befinden haben, ob seine Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Zinsanspruch auch auf Einzelfallentscheidungen von Verwaltungsbehörden auszudehnen ist. Die bisherige Rechtsprechung beruht im Kern auf der Überlegung, dass die Wirkungen von Handlungen der Union bzw. der Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht fortbestehen sollen, sofern der Gerichtshof diese Handlungen wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht für ungültig oder nichtig erklärt (arg. e contrario Art. 264 UAbs. 2 AEUV). In Konsequenz dieser Erwägungen soll der Einzelne nicht nur einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Abgaben, sondern auch der Beträge haben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Abgaben an den Mitgliedstaat gezahlt oder einbehalten worden sind, worunter auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen fallen sollen. Der Zustand soll wiederhergestellt werden, der bestanden hätte, wenn der Rechtsakt zur Durchführung der später für ungültig oder nichtig erklärten Unionsverordnung bzw. zur Umsetzung des mit dem Unionsrecht unvereinbaren mitgliedstaatlichen Steuergesetzes nicht erlassen worden wäre.

Aus Sicht des betroffenen Steuerpflichtigen dürfte es letztlich keinen Unterschied machen, ob seine Einbußen auf einem später für unionsrechtswidrig erklärten Rechtsetzungsakt oder auf einer Einzelfallentscheidung beruhen, die unter Missachtung von Unionsrecht ergangen ist.

Das Aktenzeichen beim EuGH lautet: C-427/20.

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