Quelle: |
Bundesfinanzhof |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 24.03.2021 |
Aktenzeichen: | V R 1/19 |
Vorinstanz: |
FG Düsseldorf |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 09.11.2018 |
Aktenzeichen: | 1 K 3578/15 U |
Schlagzeile: |
Steuerfreiheit des Betriebs von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften
Schlagworte: |
Aussiedler, Flüchtling, Flüchtlingsheim, Gleichbehandlung, Gleichheitsgrundsatz, Kommune, Obdachlosenunterkunft, Obdachloser, Sozialfürsorge, Steuerfreier Umsatz, Steuerfreiheit, Umsatzsteuer, Unionsrecht, Unterkunft
Wichtig für: |
Kommunen, Steuerberater
Kurzkommentar: |
Der Betrieb von Flüchtlingsunterkünften durch eine GmbH für Länder und Kommunen kann nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei sein. Dasselbe gilt für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft.
UStG § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l, § 4 Nr. 18
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. G
Hintergrund: Im Streitfall bewirtschaftete die Klägerin, eine GmbH, eine Vielzahl von Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge, Aussiedler und Obdachlose. Dabei handelte es sich sowohl um Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in kommunaler Trägerschaft als auch um Erstaufnahmeeinrichtungen verschiedener Bundesländer sowie um eine städtische Obdachlosenunterkunft. In der Regel verantwortete die Klägerin insbesondere die Ausstattung der jeweiligen Unterkunft, deren Reinigung und personelle Besetzung sowie die soziale Betreuung der untergebrachten Personen. Das Finanzamt behandelte die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte als umsatzsteuerpflichtig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Der dagegen eingelegten Revision gab der BFH statt. Die Klägerin könne sich auf eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem berufen. Nach dieser Bestimmung sind u.a. eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen von der Steuer befreit, wenn sie von Einrichtungen bewirkt werden, die der betreffende Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt hat.
Dies war vorliegend der Fall. Die Klägerin ist als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt, insbesondere weil die Übernahme des Betriebs von Flüchtlingsunterkünften durch private Dritte in verschiedenen Bundesländern durch spezifische Vorschriften geregelt ist. Dabei ist unerheblich, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen und Obdachlosen, sondern gegenüber den Trägern der Unterkünfte (Länder und Kommunen) erbracht hat. Weiter handelt es sich bei dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge und Obdachlosen auch unerlässlich sind, da die in den Unterkünften aufgenommenen Menschen wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Sie gehören damit zu dem anerkanntermaßen begünstigten Personenkreis. Demgegenüber ist insbesondere die asylrechtliche Funktion der Flüchtlingsunterkünfte und der mit einer Obdachlosenunterkunft verfolgte Zweck der Gefahrenabwehr für die Umsatzsteuerbefreiung unerheblich.
Da die Klägerin neben dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte weitere Umsätze tätigte und hierzu hinreichende Feststellungen des FG fehlten, konnte der BFH über die Klage nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache an das FG zurück.
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 09.11.2018 - 1 K 3578/15 U aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.