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Quelle:

Finanzgericht Baden-Württemberg
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 14.04.2022
Aktenzeichen: 1 K 2137/21

Schlagzeile:

Berücksichtigung der privaten Rente eines behinderten Kindes beim Kindergeld

Schlagworte:

Behinderung, Erbe, Ertragsanteil, Kindergeld, Lebensunterhalt, Rente, Selbstunterhalt, Verfügungsmacht, Vermögensumschichtung

Wichtig für:

Steuerberater

Kurzkommentar:

Monatliche Rentenzahlungen, deren Kapitalstamm mit Zuwendungen eines Elternteils und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert wurde, stellen im Hinblick auf die Prüfung, ob ein behindertes Kind sich selbst unterhalten kann, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar, soweit sie den steuerpflichtigen Ertragsanteil übersteigen

Hintergrund: Kindergeld wird einem Kind gewährt, welches wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Infolgedessen kommt es darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken kann.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nur der steuerpflichtige Ertragsanteil einer privaten Rente zu berücksichtigen sei. Das Finanzgericht setzte sich außerdem mit verfahrensrechtlichen Fragen, dem Bekanntgabezeitpunkt bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters und der von der beklagten Familienkasse angewandten Änderungsnorm, auseinander. Es ließ die Revision beim Bundesfinanzhof zu.

Die beklagte Familienkasse hatte für den Streitzeitraum Dezember 2019 bis Juli 2021 Kindergeld festgesetzt. Sie hob diese Festsetzung mit Bescheiden vom März 2021 auf. Der Kindsvater machte geltend, es gebe keine Änderungsnorm. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Außerdem habe die Familienkasse die Einkünfte und Bezüge des Kinds fehlerhaft berechnet. Dessen Erbschaft von der Mutter sei zweckgebunden gewesen und zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung verwendet worden. Die abweisende Einspruchsentscheidung datiert vom 28. Juli 2021, der Absendevermerk vom 29. Juli 2021. Die Familienkasse schilderte die interne Organisation der Postaufgabe unter Einschaltung eines privaten Postdienstleisters. Nach den Angaben des Vertreters des Klägers ging ihm die Einspruchsentscheidung am 3. August 2021 zu. Seine Klage vom 3. September 2021 sei fristgemäß.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Ein Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an die Postausgangsstelle weiterleite, reiche nicht aus. Erforderlich sei ein Absendevermerk der Poststelle. Die Schilderungen der organisatorischen Abwicklung lasse zwar auf eine Postaufgabe am 29. Juli 2021 schließen. Die Zugangsfiktion am dritten Tag sei jedoch erschüttert. Der Verfahrensablauf des Postdienstleisters sei nicht bekannt, ein tatsächlicher Zugang am 3. August 2022 möglich und die Klage zulässig.

Änderungen in den einen Kindergeldanspruch begründenden Verhältnissen habe es nicht gegeben. Die Familienkasse habe bereits bei der Kindergeldfestsetzung Kenntnis von der privaten Rente des Kinds gehabt. Der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid sei daher rechtswidrig.

Außerdem sei der Kläger kindergeldberechtigt. Sein Kind sei nicht imstande, sich selbst zu unterhalten. Es sei "(neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen". Es komme auf die Einkünfte und Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes an. Laufende oder einmalige Geldzuwendungen von Eltern seien unschädliches Kindesvermögen. Es dürfe keinen Unterschied machen, wie das Kind das ererbte Vermögen verwende, ob es die geerbten Mittel abhebe oder mit diesen eine private Lebensversicherung abschließe und die Rente zum Lebensunterhalt einsetze. Nichts Anderes gelte, wenn das Kind den von der Mutter geerbten Geldbetrag vor Abschluss der privaten Rentenversicherung um (im Verhältnis zum geerbten Vermögen geringe) eigene Mittel aufstocke. Die monatlichen Rentenzahlungen stellten, soweit sie deren steuerpflichtigen Ertragsanteil überstiegen, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Die nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten zur Verfügung stehenden Mittel des Kinds deckten damit dessen existenziellen Lebensbedarf nicht. Die Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit scheide aufgrund der Behinderung aus. Werde der Aufhebungsbescheid vom 10. März 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben, lebe die Kindergeldfestsetzung wieder auf.

Das Urteil des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Beim Bundesfinanzhof (BFH) ist die Revision anhängig.

In der offiziellen Datenbank des BFH sind die folgenden Informationen zu finden:

BFH Anhängiges Verfahren III R 23/22
Aufnahme in die Datenbank am 19.08.2022
EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 ; EStG § 2 Abs 2 ; EStG § 22 Nr 1 S 3 Buchst a
1. Ist der Bezug einer privaten Rente, deren Kapitalstamm mit Zuwendungen eines Elternteils und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert wurde, nur mit dem steuerpflichtigen Ertragsanteil bei den kindeseigenen Mitteln im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen?
2. Hat ein Kind die Verfügungsmacht über eine geerbte Summe inne, wenn es diese mit dem Zweck erhalten hat, sie in eine private Rente zu überführen?
3. Ist geerbtes Vermögen mit monatlichen Zahlungen gleichzusetzen?
--Zulassung durch FG--
Rechtsmittelführer: Verwaltung
Vorgehend: Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 14.04.2022 (1 K 2137/21)

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