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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 19.03.2013
Aktenzeichen: XI R 45/10

Vorinstanz:

FG München
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 22.04.2010
Aktenzeichen: 14 K 63/07

Schlagzeile:

Umsatzsteuerfreiheit der von einem Altenwohnheim erbrachten Leistungen

Schlagworte:

Altenheim, Altenwohnheim, Pflegebedürftigkeit, Pflegestufe, Seniorenheim, Steuerbefreiung, Umsatzsteuerf

Wichtig für:

Gewerbetreibende

Kurzkommentar:

1. Die mit dem Betrieb eines von einem gewerblichen Unternehmer betriebenen Altenwohnheims eng verbundenen Umsätze sind nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG u.a. dann umsatzsteuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Leistungen Kranken und behinderten Menschen zugute gekommen sind, die in einem vom Gesetz näher bestimmten Maß der Hilfe bedürfen. Dass diesen Personen eine Pflegestufe zuerkannt wurde, ist nicht erforderlich.

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG darf nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, die nicht geeignet ist, die Gleichbehandlung sämtlicher unter das Privatrecht fallenden Betreiber von Altenwohnheimen zu gewährleisten.

UStG § 4 Nr. 16 Buchst. d und Nr. 18
AO § 53 Nr. 2
BSHG § 68 Abs. 1
SGB XII § 61 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
MwStSystRL Art. 131, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g

Hintergrund: Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2001 ein als gemeinnützige Körperschaft anerkanntes Altenwohnheim ("Senioren-Wohnstift"). Sie überließ dem jeweiligen Bewohner auf der Grundlage eines Heimvertrages eine abgeschlossene unmöblierte Wohnung mit eingebauten Küchenelementen, die über eine eigene Klingel, ein Namensschild, eigenen Telefonanschluss, Briefkasten und Kelleranteil verfügte. Zu den ferner von der Klägerin erbrachten sog. Grundleistungen gehörte die Überlassung eines Telefons, eine Notruf- und Pflegebereitschaft rund um die Uhr, die regelmäßige Grundreinigung der Wohnung, die Vorhaltung der Gemeinschaftsräume und -anlagen (Bibliothek, Gymnastikraum, Kapelle, Seelsorge, Hallenbad), ein tägliches Mittagessen im Speisesaal einschließlich Bedienung sowie die Betreuung und Pflege im Krankheits- und Pflegefall bis zu einer Gesamtdauer von 14 Tagen im Jahr. Für darüber hinaus in Anspruch genommene Pflegeleistungen war ein gesondertes Entgelt zu entrichten. Die Klägerin rechnete gegenüber der Pflegekasse ab, soweit von dieser Leistungen gewährt wurden, und im Übrigen direkt mit den Bewohnern des Senioren-Wohnstifts.

Entgegen der Ansicht der Klägerin behandelte das Finanzamt die Pflegeerlöse einschließlich Verpflegung und diverser Nebenumsätze als steuerpflichtig und unterwarf die Leistungen dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, weil die von der Klägerin erbrachten Leistungen nicht zu mindestens 40 % den in § 68 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) genannten Personen zugutegekommen seien. Voraussetzung dafür sei die Zuerkennung einer Pflegestufe.

Dieser Auffassung folgte der BFH nicht. Für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG reiche eine (einfache) Pflegebedürftigkeit i.S. von § 68 Abs. 1 BSHG bei dem entsprechenden Personenkreis aus. Sie könne auch vorliegen, wenn keine Pflegestufe i.S. von § 15 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) nachgewiesen worden sei.

Der BFH wies die Sache an das FG zurück, damit es Feststellungen dazu trifft, ob und in welchem Umfang die Bewohner des Altenwohnheims der Klägerin körperlich hilfsbedürftig i.S. des § 68 Abs. 1 Satz 2 BSHG waren und sodann entscheidet, ob die Steuerbefreiung zu gewähren ist. Zudem hat das FG zu prüfen, ob sämtliche Leistungen, für die die Klägerin die Steuerbefreiung begehrt, unter § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG fallen.

Falls die streitigen Umsätze nicht schon nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG i.V.m. § 68 Abs. 1 BSHG steuerfrei sind, wird das FG auch prüfen müssen, ob sich die Steuerfreiheit unmittelbar aus europäischem Recht ergibt (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Die Steuerbefreiung darf nach dem EuGH-Urteil Zimmermann (UR 2013, 35, HFR 2013, 84) nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, die nicht geeignet ist, die Gleichbehandlung sämtlicher unter das Privatrecht fallenden Betreiber von Altenwohnheimen zu gewährleisten. Ob die Finanzverwaltung im Streitjahr 2001 bei gleichen Leistungen unterschiedliche Anerkennungsvoraussetzungen angewendet hat, muss das FG ggf. prüfen.

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